«Es ist eine großartige Zeit für Value-Investoren» - Interview mit Thomas Shrager

«Value-Investoren haben nichts gegen Wachstumstitel. Aber sie müssen zu attraktiven Bewertungen angeboten werden», sagt Thomas Shrager. Der Value-Veteran ist seit mehr als 35 Jahren im Geschäft, und sein Arbeitgeber, die New Yorker Value-Boutique Tweedy, Browne, befasst sich seit gut hundert Jahren mit der Aufgabe, unterbewertete Aktien zu identifizieren. Die Firma hat mit und für Value-Legenden wie Benjamin Graham, Walter Schloss und Warren Buffett gearbeitet.

Nach langen Jahren der Dürre, als unter dem Eindruck von Null- und Negativzinsen die absurdesten Geschäftsmodelle mit stratosphärischen Bewertungen belohnt wurden, finden Shrager und sein Team derzeit wieder attraktive Kaufgelegenheiten – besonders außerhalb der USA und im Bereich kleiner und mittelgroßer Unternehmen.

Im Interview spricht Shrager über seine jüngsten Käufe und sagt, was er von Nestlé, Roche, Novartis und Fresenius hält.

«Die Bewertung spielt in den Augen der Investoren keine Rolle, bis sie plötzlich eben doch eine Rolle spielt»: Thomas Shrager.

Bild: Tweedy, Browne

Herr Shrager, die Zinsen sind dieses Jahr deutlich gestiegen. Dennoch haben die großen US-Technologiewerte – die glorreichen Sieben – an den Börsen alles andere überstrahlt. Wie passt das zusammen?

Wenn Anleger lange Zeit gute Ergebnisse mit bestimmten Aktien erzielt haben, neigen sie dazu, weiterhin in diese Titel zu investieren. Einige der Unternehmen, die als «Magnificent Seven» bekannt geworden sind, befinden sich in sehr guter finanzieller Verfassung. Sie werden als sicherer Hafen wahrgenommen – ein Ort, an dem man sich aufhalten kann, wenn schlechte Zeiten kommen. Dabei geht es den Anlegern weniger um die Bewertung als um Sicherheit in ungewissen Zeiten.

Zu Recht?

Ich bin skeptisch. Wir haben diesen Film schon einmal gesehen. Anfang 2000, kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase, war Cisco Systems das Unternehmen mit der größten Marktkapitalisierung in den USA. Es war – und blieb – ein qualitativ hervorragendes Unternehmen. Cisco gelang es, auch nach dem Crash weiter zu wachsen, der Gewinn pro Aktie stieg zwischen 2002 und 2008 von 0.25 auf 1.35 $. Trotzdem stürzte der Aktienkurs von 75 auf 10 $ ab. Wieso? Cisco erlitt eine mehrjährige Bewertungskontraktion, das Kurs-Gewinn-Verhältnis sank von 150 auf 10. Und das, obwohl die Qualität des Unternehmens unverändert blieb. Die Bewertung spielt in den Augen der Investoren keine Rolle, bis sie plötzlich eben doch eine Rolle spielt. Sicherheit bedeutet für uns Value-Investoren nicht nur eine gute Finanzlage des Unternehmens, sondern auch ein Bewertungsabschlag zum inneren Wert der Aktie.

Sie halten in Ihren Fonds Alphabet als einzigen Vertreter der glorreichen Sieben. Warum?

Es ist die Aktie mit der günstigsten Bewertung aus dieser Gruppe. Wir besitzen Alphabet, das Mutterhaus von Google, seit Jahren. «Mister Market» hat uns 2011 eine Chance gegeben, als viele Leute dachten, Google hätte den Trend zur mobilen Werbung verpasst. Wir konnten die Aktie zum 11-Fachen des Betriebsgewinns kaufen. Value-Investoren haben nichts gegen Wachstumstitel. Aber sie müssen zu attraktiven Bewertungen angeboten werden.

Was spricht heute für Alphabet?

Alphabet wächst weiterhin Jahr für Jahr im zweistelligen Bereich. Die Bewertung ist in etwa fair, Alphabet ist nicht überbewertet wie beispielsweise Nvidia. An Wallstreet kursiert die Befürchtung, Google könnte im Suchgeschäft Marktanteile verlieren, weil Konkurrenten wie Bing jetzt künstliche Intelligenz einsetzen. Ich denke, diese Befürchtung ist übertrieben. Google setzt seit Jahren KI ein, es ist nicht so, als wäre dieses Thema aus dem Nichts aufgetaucht. Die Internet-Suche bleibt für Alphabet natürlich wichtig. Aber im Cloud-Geschäft arbeitet Alphabet mittlerweile profitabel, und auch YouTube scheint sich zu erholen. Das ist sehr wertvoll.

Kommen wir zurück zum Marktumfeld. Was sind für Sie momentan die wichtigsten Entwicklungen?

Das Hauptrisiko ist aus unserer Sicht nicht das neue Zinsniveau per se, sondern die Schnelligkeit des Zinsanstiegs, die wir erlebt haben. Normalerweise verursacht diese Art von Bewegung Stress im Finanzsystem, zum Beispiel im Markt für Geschäftsimmobilien oder bei Unternehmen, die verschuldet sind und sich refinanzieren müssen. Ein weiteres Thema ist das riesige, zunehmend unverantwortliche Haushaltsdefizit in den USA. In diesem Jahr haben die Zinszahlungen eine Billion Dollar erreicht, das ist mehr als der gesamte Verteidigungshaushalt. Die gestiegenen Zinsen verursachen Stress, und irgendwann wird es eine Rezession geben. Der Hauptgrund für die starken Konsumausgaben in den letzten zwei Jahren war der erhebliche Anstieg der Transferzahlungen, die die Haushalte von der US-Regierung erhalten haben. Das ist nun vorbei.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Inflation?

Inflationsprognosen sind verdammt schwierig, deshalb mache ich keine. Es reicht, zu sagen, dass die Zinsen nicht wieder auf null oder in den negativen Bereich sinken werden. Ich denke, es wird noch einige Zeit dauern, bis es dem Fed gelingen wird, die Inflation auf den Zielwert von 2% zu senken.

Die Finanzmärkte haben sich darauf eingestellt, dass die Zinsen für längere Zeit auf einem höheren Niveau verharren werden. Das sollte für Value-Investoren ein gutes Umfeld bieten, oder?

Auf jeden Fall. In einem Umfeld niedriger Zinsen war der Gegenwartswert künftiger Erträge unendlich. Dadurch konnten viele Unternehmen, selbst wenn sie nur aus warmer Luft bestanden, zu verrückten Preisen bewertet werden. Aber jetzt erleben wir eine Rückkehr des Value Investing. Insgesamt haben sich Value-Aktien bereits seit Ende 2020 besser entwickelt als der breite Markt. In der ersten Hälfte dieses Jahres sahen wir lediglich eine Pause, als Aktien, die als Gewinner des KI-Hypes galten, gesucht wurden.

Finden Sie derzeit gute Kaufgelegenheiten?

Ja, wir finden viele Gelegenheiten, es ist eine großartige Zeit für Value-Investoren. Der Bewertungsabschlag von Aktien außerhalb der USA gegenüber dem S&P 500 war noch nie so hoch wie heute. Auch kleinkapitalisierte Aktien waren im Vergleich zu Mega Caps selten günstiger. Sie sehen das beispielsweise, wenn Sie die Kursperformance des Russell 2000 mit dem Russell Top 50 vergleichen. Im Bereich der Small Caps sind die Aktien vieler qualitativ sehr hochwertiger Unternehmen unter Druck geraten. Im Allgemeinen finden wir also mehr Chancen außerhalb der USA, und wir kaufen mehr Small und Mid Caps als Large Caps. Besonders attraktive Gelegenheiten finden wir derzeit unter den Industriewerten. Dort sind die Bewertungsdiskrepanzen am größten.

Was haben Sie in letzter Zeit gekauft?

Ein Beispiel ist Brenntag. Der deutsche Konzern ist der weltgrößte Distributeur von chemischen Produkten, die Marktkapitalisierung beträgt gut 11 Mrd. €. Die Aktie wird mit dem 9-fachen Unternehmenswert zu Ebit bewertet, das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei 13, die Dividendenrendite bei 3%.

Was gefällt Ihnen am Geschäftsmodell?

Das Unternehmen hat rund 180'000 Kunden. Brenntag hält einen Anteil von nur rund 5% in einem stark fragmentierten Markt, was bedeutet, dass das Unternehmen durch kleine Übernahmen wachsen kann. Im Chemie-Distributionsgeschäft sind Größe, globale Reichweite und Sicherheitsstandards sehr wichtig. Es ist nicht einfach für neue Konkurrenten, in diesen Markt einzusteigen. Rund 40% des Ebitda von Brenntag stammen aus Spezialchemikalien. Dort sind die Margen und die Kapitalrendite höher. Sie verkaufen in dieser Sparte an Branchen, die schneller als der Durchschnitt wachsen, etwa Duft- und Geschmacksstoffe, Kosmetika oder Pharma. Der Fall Brenntag hat noch einen zusätzlichen Dreh: Eine Aktivistengruppe hat versucht, das Unternehmen in seine beiden Geschäftsbereiche Prozess- und Spezialchemikalien aufzuspalten. Der Vorschlag scheiterte zwar, aber der hoch angesehene Unternehmer Klaus-Michael Kühne hat kürzlich seinen Aktienanteil an Brenntag auf 10% erhöht. Er wird sicherlich den Wert seiner Beteiligung steigern wollen.

Würden Sie es begrüßen, die beiden Geschäfte zu trennen?

Es gibt einige Synergien zwischen dem Prozess- und dem Spezialchemikaliengeschäft. Aber der Wert der beiden Einzelteile ist deutlich höher als die derzeitige Börsenkapitalisierung von Brenntag. Konkurrenten im Bereich Spezialchemikalien, etwa IMCD und Azelis, werden zu wesentlich höheren Bewertungen gehandelt. Das Management hat eine Trennung der beiden Geschäftsfelder nicht ausgeschlossen. Wir warten mal ab, was es kommuniziert. Am 5. Dezember wird es einen Investorentag geben.

Ist es sinnvoll, jetzt in ein derart zyklisches Unternehmen zu investieren, wenn eine Rezession drohen könnte?

Ja. Zwar sinkt der Betriebsgewinn von Brenntag in einer Rezession, aber dafür steigt der Cashflow, weil das betriebliche Umlaufvermögen schrumpft.

Was haben Sie kürzlich sonst noch gekauft?

Teleperformance, ein französisches Unternehmen, das auf das Callcenter-Geschäft spezialisiert ist und eine Marktkapitalisierung von etwa 8 Mrd. € hat. Eine Verlangsamung des Umsatzwachstums verursachte dieses Jahr einen Kurseinbruch. Investoren führten dies auf die Annahme zurück, dass KI-Chatbots das Callcenter-Geschäft bald obsolet machen würden. Darüber hinaus gab es ein Problem in Kolumbien, wo Teleperformance für Unternehmen wie Google Inhalte moderiert. Das ist ein sehr anstrengender Job für die Mitarbeiter, und es gab Vorwürfe über schlechte Arbeitsbedingungen. Eine Untersuchung der kolumbianischen Regierung kam zum Schluss, dass dies nicht der Fall war, aber ESG-bewusste Anleger verkauften die Aktien trotzdem.

Wurde Teleperformance an der Börse zu Unrecht abgestraft?

Ja. KI wurde in dieser Branche schon immer bis zu einem gewissen Grad eingesetzt, das ist kein neuer Trend. Was zu automatisieren sinnvoll war, ist automatisiert worden. Ein Teil des Geschäfts wird aber immer einen Menschen am anderen Ende der Leitung brauchen, KI wird nie alles übernehmen können. Der Trend zu Outsourcing wird anhalten, und davon wird Teleperformance profitieren. Dieser Geschäftsbereich wächst mit 7% pro Jahr.

Wie steht es um die Bewertung?

Mister Market hat uns die Gelegenheit gegeben, ein Unternehmen, das selbst in diesem Jahr ein Umsatzwachstum von 6% verzeichnet, zum achtfachen Gewinn zu kaufen. Die zugrunde liegenden Zahlen sind in Ordnung. Die Dividendenrendite beträgt 3,5%.

Ein weiterer Kauf?

Winpak, ein Unternehmen aus Kanada, dessen Aktien mehrheitlich von einer finnischen Familie gehalten werden. Die Marktkapitalisierung beträgt 1,8 Mrd. $, die Bilanz weist etwa 400 Mio. $ an Nettobarmitteln auf. Winpak stellt Kunststoffverpackungen für verderbliche Lebensmittel her. Der Zwölfjahresdurchschnitt der Ebitda-Marge liegt bei 21%, die Rendite auf das investierte Kapital bei 19%. Das sind glänzende Werte. Die Rechnungslegung ist konservativ, es gibt keine einmaligen Kosten und keinen anderen Blödsinn. Auf dem gegenwärtigen Niveau sind die Aktien deutlich unterbewertet.

Haben Sie in letzter Zeit etwas in der Schweiz gefunden?

Noch nicht. Einige kleinere und mittelgroße Unternehmen haben aber deutliche Kurseinbußen erlitten, sie werden wieder attraktiv. Die Chancen sind da, aber ich kann noch keine Namen nennen.

Nestlé ist eine der größten Positionen in Ihren Fonds. Die Aktie hat dieses Jahr gut 20% korrigiert. Warum?

Ich würde es den Ozempic-Effekt nennen. Viele Aktien im Nahrungsmittelsektor wurden durch den Aufstieg dieser Medikamente – Ozempic von Novo Nordisk oder Mounjaro von Eli Lilly – zur Gewichtsabnahme beeinflusst. Deren Wirkungsweise besteht im Wesentlichen darin, dass sie dem Gehirn mitteilen, man solle aufhören zu essen, weil man satt ist. Aktien aus dem Lebensmittelsektor haben also gelitten, weil die Leute glauben, dass ihre Umsätze sinken werden. Ich halte diese Befürchtung jedoch für übertrieben. Und was Nestlé betrifft, so sind die Hauptgeschäftsfelder ohnehin nicht betroffen: Kaffee, Haustier- oder Säuglingsnahrung werden keinen Ozempic-Effekt haben.

Sind die Aktien bei 100 Fr. ein Kauf?

Ja. Sie sind nicht superbillig, aber anständig bewertet für ein Unternehmen, das immer noch 7 bis 8% Wachstum erzielen kann. Nestlé besitzt starke Marken und ist sehr unternehmerisch geführt für einen Konzern dieser Größe. Das gefällt uns. Sie bezahlen eine anständige Dividende. Der CEO, Mark Schneider, hat Nestlé gut auf Wachstumsbereiche ausgerichtet, zum Beispiel auf Tiernahrung. Auch Kaffee ist ein großartiges Geschäft mit attraktiven Margen.

Auch Novartis und Roche tauchen in der Liste Ihrer größten Beteiligungen auf. Was gefällt Ihnen an den beiden Pharmakonzernen?

Ja, wir halten Novartis und Roche. In den USA haben wir in der Branche zum Beispiel auch Vertex und Ionis gekauft. Aber lassen Sie uns mit Novartis beginnen. Unter den großen Pharmakonzernen ist das unser Favorit. Die wichtigsten Wachstumsquellen von Novartis sind Kisqali gegen Brustkrebs, Cosentyx gegen Schuppenflechte, Entresto gegen Herzinsuffizienz, Zolgensma gegen spinale Muskelatrophie und Kesimpta gegen Multiple Sklerose. Das ist ein großartiges Portfolio. Außerdem verfügt Novartis über eine gute Pipeline; unter anderem wird Kisqali für neue Krebsanwendungen getestet. Wenn einige dieser Präparate auf den Markt kommen, wird Novartis sehr gut abschneiden.

Durch die Abspaltung haben Sie Aktien von Sandoz, dem Generikageschäft von Novartis, erhalten. Behalten Sie sie?

Nein, wir sind nicht mehr Aktionäre von Sandoz. Wir denken, dass das Sandoz-Management vor vier oder fünf Jahren, als viele Biotech-Medikamente ihre Patente verloren, die Chance verpasst hat, im Bereich Biosimilars stärker zu sein. Wir sind froh, dass Novartis diesen Geschäftsbereich abgestoßen hat.

Was ist mit Roche? Der Aktienkurs ist in den letzten zehn Jahren nicht vom Fleck gekommen.

Roche befindet sich in einer schwierigen Übergangsphase. Vor ein paar Jahren haben einige wichtige Medikamente wie Avastin und Rituxan den Patentschutz verloren. Roche ging dadurch ein Umsatz von rund 20 Mrd. $ verloren. Dem Konzern gelang es, diese Umsätze durch neue Medikamente wie Ocrevus gegen MS, Hemlibra gegen Hämophilie A oder Vabysmo gegen altersbedingte Makuladegeneration zu ersetzen. Das war eine tolle Leistung. In letzter Zeit lieferte Roche jedoch eine Reihe von Enttäuschungen mit Präparaten im Entwicklungsstadium.

Warum die Enttäuschungen?

Meine Vermutung ist, dass Roche entweder die Entwicklung von Medikamenten zu schnell vorangetrieben hat oder dass die Studien in einigen Fällen schlecht konzipiert waren. Nehmen Sie die jüngsten Nachrichten über ein Medikament, das sie zusammen mit Sarepta gegen Muskeldystrophie entwickelt haben. Das Hauptergebnis der klinischen Studie war negativ, aber alle sekundären Faktoren waren positiv. Das spricht für schlechtes Studiendesign. Das ist aber nur Spekulation meinerseits. Ein anderes Beispiel: Das Krebsmedikament Tecentriq ist meines Erachtens vergleichbar mit Keytruda von Merck, das inzwischen ein 18-Milliarden-Dollar-Medikament ist. Roche war zeitlich voraus, aber ich denke, sie haben die Studien überstürzt durchgeführt, und die Zahlen von Keytruda waren zu Beginn besser. Roche hätte aus Tecentriq ein 10-Milliarden-plus-Medikament statt ein 5-Milliarden-Medikament machen können. Wir hoffen, der neue CEO, Thomas Schinecker, der eher ein Wissenschaftler als ein Finanzmann ist, wird ernsthafter über das Studiendesign nachdenken und darüber, wie schnell Medikamente durch die klinischen Tests gepusht werden.

Es war ein Managementproblem?

Ich denke ja. Hoffentlich wird es korrigiert. Roche steht an der Börse jetzt in der Beweispflicht. Die Bewertung der Aktien ist lächerlich niedrig. Deshalb verkaufen wir sie jetzt nicht.

Was halten Sie von der Bewertung von Novo Nordisk und Eli Lilly?

Manchmal gibt es diese Medikamente, die für ein Pharmaunternehmen transformativ sind – und das sind Ozempic für Novo bzw. Mounjaro für Lilly zweifellos. Vor ein paar Jahren haben wir uns Lilly angesehen, aber die Titel waren für uns einfach nie günstig genug. Was ich sagen kann: Novo und Lilly haben sehr gute Fundamentaldaten, und sie genießen ein unglaublich starkes Momentum an den Märkten. Aber wir können sie nicht kaufen, weil ihre Bewertung zu hoch ist.

Sie haben vorhin das US-Biotechunternehmen Vertex erwähnt. Was gefällt Ihnen da?

Das ist ein außergewöhnliches Unternehmen. Ihr Hauptgeschäft ist die zystische Fibrose, wo sie über ein Multimilliarden-Dollar-Medikament verfügen. Jetzt befinden sie sich in der Phase III der Entwicklung eines nicht-opioiden Medikaments gegen akute Schmerzen. Dieses Medikament scheint ebenso wirksam zu sein, ohne die Suchtgefahr von Opioiden. Das hat riesiges Potenzial.

Ein weiteres Unternehmen, das Sie besitzen und dessen Value Case Sie vor gut zwei Jahren geschildert haben, ist Fresenius. Das Unternehmen hat wiederholt enttäuscht. Was ist da los?

Der Hauptgrund für die Enttäuschung ist die Dialysetochter Fresenius Medical Care, kurz FMC, an der Fresenius eine Minderheitsbeteiligung von gut 32% hält. Die Geschäftsfelder von Fresenius selbst, besonders das Krankenhaus-Versorgungsgeschäft unter der Marke Fresenius Kabi, läuft sehr gut. Das Hauptproblem ist FMC. Während der Covid-Pandemie sind leider viele nierenkranke Patienten gestorben. Das bedeutete weniger Patienten für FMC, während das Unternehmen weiterhin hohe Fixkosten für seine Dialysezentren hatte. Doch auch seither hat sich die Zahl der Dialysepatienten nicht normalisiert. Ich habe den Verdacht, dass Ozempic auch hier eine Wirkung hat. Diese Medikamente reduzieren die Fettleibigkeit, was bedeutet, dass es weniger Menschen mit Nierenproblemen gibt. Das könnte längerfristig ein Problem für FMC sein.

Besitzen Sie die Aktien noch?

Wir haben unsere Position in FMC verkauft, besitzen aber noch Fresenius. Sie sollten das Geschäft abtrennen und den Mühlstein FMC loswerden. Eine Trennung wäre wichtig, um den Wert von Fresenius selbst hervorzuheben. Der Value Case für Fresenius ist sehr stark.


Wir veröffentlichen dieses Interview mit freundlicher Genehmigung von Mark Dittli (TheMarket.ch)

Thomas Shrager

Thomas H. Shrager, Managing Director, arbeitet seit 1989 für Tweedy, Browne. Er ist Mitglied des Investment- und des Managementkomitees. Bevor Shrager zu Tweedy stieß, hatte er in der Abteilung für Fusionen und Übernahmen bei der Investmentbank Bear Stearns gearbeitet.

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